Du sollst dich nicht ….

Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.

2. Mose 23,2

Liebe Leserin, lieber Leser,

fast dreitausend Jahre alt ist diese Zeile. Sicher hat sie das Volk Israel dazu gebracht, sich lange und prinzipiell von allem nicht- oder andersreligiösen fernzuhalten. Als von Gott erwähltes Volk hatte Israel in Vielem andere Maßstäbe, und es ging um eine besondere Heiligung des Alltags und des ganzen Lebens.

Ich möchte hier nur andeuten, dass die Aufgabe dieses Prinzips im Politischen dem heutigen Staat Israel ebenso wenig steht wie allen anderen, die sich keinen anderen als den Maßstab des Pragmatismus setzen.

Wo die Heilige Schrift uns mit den Zeilen des Mosebuches anspricht, da haben wir die Chance hellhörig zu werden. Es ist leicht, den Wütenden kopfnickend zuzuhören und dann weiterzugehen – man denkt sich lieber sein Teil. Aber das schon ist ja ein Anschließen, wie es sich uns verbietet.

Es ist leicht, sich in eines der Lager zu begeben, Falken oder Tauben … Aber ist das unser Auftrag?

„Was ist der Kitt, der diese Gesellschaft zusammenhält?“ das wurde die beständige Leitfrage von Bundespräsident Herzog, der das Auseinanderfallen unserer Gesellschaft früh kommen sah. Vielleicht auch das von Europa, wie wir es damals träumten.

Eine Antwort ist: Wir, als Christinnen und Christen, sind dazu beauftragt solch ein Kitt zu sein.

Deutlich wird das in den Worten von Franz von Assisi:
„O Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich Liebe übe, wo man sich hasst, dass ich verzeihe, wo man sich beleidigt, dass ich verbinde da, wo Streit ist…“

Wir als Christinnen und Christen, wir als Kirchen können unseren Auftrag nur erfüllen, wenn wir uns fernhalten von der mehrheitlichen gegenseitigen Bezichtigung und Beschimpfung untereinander, fernhalten von bitteren Verdächtigungen und unsauberem Argwohn, der viele gleich noch ermächtigt, anderen mit Worten oder gar im Handeln Gewalt und Unrecht anzutun.

Wir sollen und müssen Kitt sein, Zwischentöne finden können, zusammenweben, was unversöhnt steht, und daraus etwas Neues machen, das mit Phantasie und Liebe und Segen eine Zukunft für alle eröffnet.

Das kann ich nicht. Dazu tauge ich nicht. Dazu bin ich zu unbedeutend. Dazu fehlt mir das Talent …

Alle Berufenen haben mit solchen Sätzen auf Gottes Auftrag reagiert. Und die Bibel hat das aufgeschrieben, damit wir darin nicht mit uns selbst allein stehen. Aber sie hat auch Gottes Zuspruch festgehalten, der sagt, dass wir nichts allein aus uns schaffen müssen, sondern dass er dabei ist mit Geist und Kraft, damit Raum für das Gute entsteht und Leben neu aufwachsen und gedeihen kann.

Werden wir eine solche Kirche? Werden wir eine solche Gemeinde hier in Friedrichstadt? Hören wir auf Gottes Zuruf? Oder machen wir es wie die Mehrheit?

Als erstes müssen wir füreinander kenntlich werden – als die, die es anders machen wollen. Und dabei auch für andere.

Als erstes uns gemeinsam des Segens vergewissern, den Gott dazugibt. Und den zuversichtlich weitergeben.

Wollen wir?

Mit herzlichem Gruß und besten Wünschen

Ihr/Euer
Christoph Sassenhagen